Frank Seeling hat sich in den letzten Jahren als Schulsozialarbeiter an einer Freiburger Realschule aktiv mit dem Thema Suchtprävention auseinandergesetzt. Diese und neue Erfahrungen lässt er nun auch in seine Arbeit als Fachberater des Teams der Schulsozialarbeit bei IN VIA, dem Katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit in der Erzdiözese Freiburg e.V. einfließen.
Was können Sie uns über Ihre aktuellen Aufgaben sagen?
Schulsozialarbeit ist die engste Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und der Schule. Schwerpunkte meiner Arbeit sind u. a. die individuelle fachliche Beratung der Schulsozial-arbeiter*innen, die Organisation und Durchführung von Qualifizierungs- und Fortbildungsangeboten, die Entwicklung und Unterstützung bei Projekten sowie die Weiterentwicklung des gesamten Arbeitsfeldes und des Verbandes. Des Weiteren bin ich für die fachliche Beratung von 37 Schulsozialarbeiter*innen an 34 Schulen zuständig, dazu gehören Grundschulen, Realschulen, Gymnasien, SBBZs (sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) und Berufs-Kollegs.
Besteht in den Schulklassen Interesse, sich mit dem Thema Abhängigkeit zu beschäftigen?
Die Auseinandersetzung mit Suchtthemen und Abhängigkeiten sind ein wichtiger Teil unseres fachlichen Dialoges im Team und in der Arbeit an den Schulen. Gerade mit dem Einsetzen der Pubertät, einer wichtigen und oft konfliktgeladenen Entwicklungsphase, gewinnen die Themen Suchtmittel, Drogen und Abhängigkeiten für die Schüler*innen und damit auch für Eltern und Lehrer*innen ein Interesse und auch eine Brisanz. Die Neugierde, das Austesten, das Abgrenzen und ein Suchen spielen eine wichtige Rolle. Altersentsprechend kommen die Themen in der Schule vermehrt ab Klassenstufe 7 auf. Sie zeigen sich offen, aber auch verdeckt im Unterricht, den Pausen, den Nachmittagsangeboten – d. h. im gesamten Schulalltag. Dadurch ergeben sich dann verschiedene Anknüpfungspunkte für die Schulsozialarbeit.
Welche Suchtstoffe stehen bei den Jugendlichen in diesem Alter im Vordergrund?
Seit ein paar Jahren steht die Medienabhängigkeit bzw. Onlinesucht hoch im Kurs, aber auch Zigaretten- und E-Zigaretten, Alkohol, Cannabis sind mit von der Partie. Auch der übermäßige Konsum von Energydrinks und das Essverhalten sind hier zu nennen. Wer was, wieviel und warum konsumiert, hängt dabei natürlich von vielen Faktoren ab.
Was können Schulsozialarbeiter tun, um Jugendliche zu unterstützen und Risiken zu erkennen?
Die Schulsozialarbeiter*innen arbeiten präventiv und intervenierend. Sie organisieren oder führen Angebote in Schulklassen durch, das können z. B. Projekte zum Thema Sucht, Besuche von Einrichtungen der Suchthilfe, AG’s am Nachmittag oder gemeinsame Unterrichteinheiten mit den Biologie-Lehrer*innen sein. Zudem bieten sie für die Schüler*innen einen vertraulichen Rahmen für Beratungen an. Auch für Eltern, Lehrer*innen und die Schulleitung sind sie Ansprechpartner*innen. Zudem können sie Kontakte zu Fachberatungsstellen vermitteln und Schüler*innen begleiten. Bei der Suchtprävention geht es meines Erachtens nicht um ein Verteufeln, um Bestrafung oder Ähnliches, sondern um die Aufklärung und eine Auseinandersetzung mit stoffgebundenen und nichtgebundenen Süchten und noch viel grundsätzlicher, um eine Auseinandersetzung mit dem Thema Abhängigkeiten und dem Umgang damit. Zumal Sucht stark mit Konsumverhalten, Persönlichkeit und anderen Rahmenbedingungen (Familie, Freundeskreis, Schule, Gesellschaft) zusammenhängt, gilt es diese ebenfalls in den Blick zunehmen und zu stärken. Das sogenannte Suchtdreieck – Suchtmittel, Persönlichkeit und Umfeld – bietet für die ganzheitliche Bearbeitung dabei gute Ansatzpunkte. Auch eine realistische Selbsteinschätzung der Schüler*innen, gilt es zu fördern. Suchtprävention kann nicht losgelöst von einem schulischen Präventionskonzept oder Sozialcurriculum gesehen werden.
In meiner vorangegangen Tätigkeit als Schulsozialarbeiter an einer Realschule habe ich z. B. mit verschiedenen Schulklassen und den Klassenlehrer*innen im Rahmen eines Präventionsprojektes das AMEOS Klinikum Kaiserstuhl besucht. Diesem Besuch sind mehrere Projektstunden vorangegangen, in denen wir uns mit den Themen Sucht – Persönlichkeit – Rahmenbedingungen auseinandergesetzt und damit den Krankenhausbesuch vorbereitet haben. Das Team hat uns dann durch seine langjährigen Erfahrungen in der Behandlung von alkoholkranken Menschen, bei der Beantwortung unserer Fragen geholfen und uns erfahrungsorientierte Einblicke in den Behandlungsalltag gegeben.
Welche Medien und Informationsmaterialien nutzten Sie bei der Präventionsarbeit und was wünschen Sie sich für die Zukunft der Sozialarbeit in Schulen?
Die Verbände der Suchtberatung und Selbsthilfe bieten umfangreiche Informationsmaterialien – in digitaler und gedruckter Form – an. Diese werden von den Schüler*innen gut angenommen, wenn sie übersichtlich, zeitgemäß und zielgruppenspezifisch aufgearbeitet sind. Viel hängt natürlich von der gemeinsamen Umsetzung in der Schule ab. Ebenfalls sind die Suchtbeauftragten der Stadt oder des Landkreises unsere Ansprechpartner*innen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Schüler*innen von einer kreativen Beschäftigung mit dem Thema (kurzer Film, Interviews, Rollenspiel, usw.) und einem gemeinsamen Austausch mit Expert*innen und (ehemaligen) Betroffenen profitieren. Dafür lohnt es sich, außerschulische Kooperationspartner zu suchen. Auch peer-to-peer-Ansätze haben ihre Anreize. Außerdem macht es Sinn, Bezüge und Verbindungen zu anderen, an der Schule durchgeführten Präventionsprojekten und dem Unterricht herzustellen. Insgesamt benötigt eine sinnvolle und nachhaltige Präventionsarbeit zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen, eine entsprechende Haltung sowie ein Mitdenken – innerhalb und außerhalb der Schule. Durch eine lebendige Kommunikation, Kooperation und Vernetzung kann das gelingen.
Weitere Informationen finden Sie hier:
IN VIA Freiburg ist ein Verband, der in folgenden Arbeitsfeldern tätig ist:
Beruflichen Integration, Qualifizierung, Soziale Dienste und Schulsozialarbeit
Hier finden Sie einige weitere Links zum Thema Suchtprävention in Schulen: